Otzenrather Sprung
In Deutschland werden bis zum Jahr 2045 zwanzig Ortschaften wegen des Braunkohletagebaus umgesiedelt. Der Film Otzenrather Sprung begleitet die Einwohner dreier Dörfer im Rheinischen Braunkohlerevier während ihres letzen Jahres in der alten Heimat und dokumentiert, wie eine ganze Region auf ihre kollektive Umsiedlung vorbereitet wird.
"Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Planung des neuen Hauses!" Das ruft ein Direktor der Rheinbraun AG im März 2000 einigen Dutzend Menschen in der Turnhalle eines kleinen Dorfes bei Köln zu. An Stellwänden hängen Grundrisse von Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern. Die Rheinbraun AG, ein Tochterunternehmen des RWE-Energie-Konzerns, hat Grosses vor. Sie will etwa 17 rheinische Ortschaften umsiedeln, um die darunter liegende Braunkohle zu gewinnen. Aus der Braunkohle wird Strom erzeugt, der während der kommenden Jahrzehnte zur Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland beitragen soll. Für 12.000 Menschen bedeutet das den Verlust ihrer Heimat.
Der Braunkohletagebau hat im Rheinland eine lange Tradition. Seit Ende des 2. Weltkrieges wurden deshalb bereits mehr als 30.000 Menschen umgesiedelt. Die größte der drei rheinischen Kohlegruben trägt den Namen Garzweiler I. Garzweiler war eine der Ortschaften, die diesem Tagebau in den achtziger Jahren weichen mussten. Im November 1998 hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalens die Genehmigung für einen Folgetagebau erteilt, genannt Garzweiler II. Vorausgegangen war ein 14 Jahre währender Streit zwischen Gegnern und Befürwortern. 50 km² Erdoberfläche sollen im Zuge dieses Projektes bis zu einer maximalen Tiefe von 210 Metern abgetragen werden - mit allem, was sich darauf befindet. Der Abbau der Kohle wird im Jahr 2050 abgeschlossen sein. Weitere 50 Jahre werden für die vollständige Rekultivierung der Fläche benötigt. Zum Schluss - etwa im Jahr 2100 - wird ein 23 km² großer so genannter Restsee übrig bleiben.
Auszeichnungen
Adolf Grimme Preis 2002 (Buch/Regie und Kamera)
Bayerischer Fernsehpreis 2002 (Buch/Regie und Kamera)
Förderpreis Dokumentarfilm des FilmFernsehFonds Bayern
Preis des ORB für den besten Dokumentarfilm, Sehsüchte Potsdam
Deutscher Kamerapreis 2002 (Förderpreis)
Nominierung Förderpreis Schnitt
Förderpreis der Stadt Freiburg, 19. Ökomedia Filmfestival
Jury Award, Filmfestival der Menschenrechte Nürnberg
Zweiter Preis beim Deutschen Wirtschaftsfilmpreis 2002
Nominierung Prix Europa 2002
Lobende Erwähnung, 19. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestival
Aus der Jury-Begründung des 38. Adolf Grimme Preises:
"Ein betörend schöner Film, schlicht und streng und schwarzweiss.
Es geht, ganz selbstverständlich, um eine angemessene Darstellung:
weil es Ruhe, weil es Raum braucht, um zu erfahren, wie es aussieht und wie es sich anhört,
wenn ganze Dörfer verschwinden.
Der Film - glänzend fotografiert von Kameramann Börres Weiffenbach - legt, mit ungewöhnlich
tiefenscharfer Anschauung und klar konturierten Perspektiven, eine mentale Landkarte aus.
Hier die Beschreibungen, die Erinnerungen, die Aussichten ortsgebundener Lebensläufe.
Dort die - gar nicht sarkastischen - Formeln der Planer. Dazwischen, davor, die fast abstrakte
Industrieschönheit der Riesenbagger. Diese Spannung beutet Schanze nicht im Sinne des simplen
Parteinehmens aus. Vielmehr nutzt er sie als Energiefeld genauer Beobachtung.
Von Menschen, die Heimat nicht tümelnd verdrehen, sondern sie ganz normal leben.
Und von Landschaften, die uns oft fremder sind als exotische Welten - als Lebensräume einer
unaufgeregten und nicht denunzierten Provinz."
Team
Buch, Regie, Montage: Jens Schanze
Kamera: Börres Weiffenbach
Kameraassistenz: Marlen Schlawin, Markus Passera, Nina Scheele
Ton: Udo Steinhauser, Alexander Zeilinger
Mischung: Gerhard Auer
Titel: Peter Rosenwanger
Produktionsleitung: Krischan Böger
Herstellungsleitung: Evi Stangassinger
Projektbetreuung: Nicolas Humbert, Raimund Barthelmes
Redaktion: Margrit Schreiber, ZDF/3sat
Kopienförderung: Filmbüro NW
Mit freundlicher Unterstützung von: BMW Group, Kodak München, CinePostproduction Bavaria Bild & Ton, Arri-Rental München, HFF Konrad Wolf
Plakatmotiv: Gerwin Schmidt
Produktion: Hochschule für Fernsehen und Film München
Technische Daten
Herstellungsland: Deutschland 2001
Aufnahmeformat: S-16 mm s/w
Vorführformat: 35 mm 1:1,66 oder Digibeta, S/W-Sepia
Ton: Dolby SR
Laufzeit: 63 Minuten